Montag, 7. April 2008

PRESSEMITTEILUNG, 07.04.2008: Staatsanwältin zieht Berufung zurück

- Prozess gegen Kieler Antifaschist: Staatsanwältin Füssinger zieht Berufung zurück

- Urteil des Amtsgericht vom 21.11.07 wird rechtskräftig

- Sabine Münzer: "Füssinger hat hiermit die stressfreie Variante gewählt. Nun warten wir auf die sofortige Einstellung der noch laufenden Verfahren."


Wie kürzlich bekannt wurde, hat die Staatsanwältin Füssinger im März die eingelegte Berufung gegen das Urteil des Amtsgericht Kiel gegen einen Kieler Antifaschisten wegen der vermeintlichen „gefährlichen Körperverletzung“ an einem stadtbekannten Neonazischläger vom 21.11.07 zurückgezogen. Die Staatsanwaltschaft hatte dieses zunächst als zu mild gewertet und fokussierte offensichtlich ein höheres Strafmaß bei einer Neuverhandlung vorm Landgericht an.
Damit wird nun die verhängte Geldstrafe von 1125 € rechtskräftig.

Sabine Münzer von der Antirepressionsgruppe 1. April äußerte sich dazu: "Die Staatsanwältin Füssinger hat sich bei der Abwägung zwischen ihrem Vorhaben, das ohnehin schon unerträgliche Urteil noch übertrumpfen zu wollen und damit ein noch deutlicheres abschreckendes Exempel an alle aktiven AntifaschistInnen zu statuieren und der zu erwartendem erneuten Protestwelle, scheinbar für die stressfreiere Variante entschieden. Wir denken daher, dass die Staatsanwaltschaft dementsprechend nun die noch laufenden Ermittlungsverfahren gegen vermeintliche oder tatsächliche Antifaschisten im Zusammenhang mit dem 1. April 2006 schleunigst einstellen wird."

Hintergrund des brisanten Verfahrens war eine Auseinandersetzung zwischen Neonazis und einer Gruppe Antifaschisten am 1. April 2006. Obwohl weder der Tatverlauf geklärt noch der Angeklagte als Beteiligter identifiziert werden konnte, stützte sich die Richterin in ihrem Urteil auf eine einzige von einer Vielzahl ZeugInnenaussagen, den widersprüchlichen und unglaubwürdigen Bericht eines Begleiters der Neonazischläger.
Obwohl die Polizei am Tatort lediglich die Neonazis antraf und bei einem sogar ein blutiges Messer feststellte, wurde von Anfang an ausschließlich und ohne jeden Beweis in Richtung eines der Kieler Polizei zu unbequemen linken Aktivisten ermittelt. Dabei wurde, für ein Körperverletzungsdelikt absolut unüblich, die Wohnung des Angeklagten durchsucht, einem Passanten eine falsche Zeugenaussage in den Mund gelegt, unkonkrete Aussagen verwendet und vermeintliche Tatwerkzeuge herbeikonstruiert. Im Prozess wurden dem Verteidiger zudem wichtige entlastende Beweisanträge verwehrt.

Der Prozess wurde im Herbst 2007 fast zwei Monate von einer Vielzahl von Protestaktionen und Demonstrationen in der Stadt, vorm und im Gericht begleitet, an denen sich insgesamt einige hundert AntifaschistInnen beteiligten. Höhepunkt war, neben der großen Demonstration mit über 400 TeilnehmerInnen in der Kieler Innenstadt am 13.10.2006 im Vorfeld des ersten Prozesstages, eine wütende, kämpferische Spontandemo am Abend der Verurteilung im Stadtteil Gaarden, an der sich etwa 200 Menschen beteiligten und deren Entschlossenheit die Polizei einen Abend lang stark verunsicherte.