Freitag, 26. Oktober 2007

SOLIDARITÄT mit dem angeklagten Antifaschisten...

... auch am zweiten Prozesstag!

Am 19.10.07 fand vorm Kieler Amtsgericht der erste Prozesstag gegen unseren Genossen und Freund statt, dem die Staatsanwaltschaft gefährliche Körperverletzung an einem stadtbekannten Neonazischläger vorwirft. Nach verschiedenen ZeugInnenanhörungen, unter ihnen auch die der an der Auseinandersetzung beteiligten Neonazis, die durch widersprüchliche Aussagen und peinliche Tritte in Fettnäpfchen glänzten, wurde der Prozess nach der etwa siebenstündigen Verhandlung auf Montag, 05. November um 9 Uhr in den Saal 4 des Amtsgerichts vertagt. An diesem Tag sollen weitere, richterlich vorgeladene ZeugInnen gehört werden.


Breite Solidarität mit dem Angeklagten.

Die Anklage des Antifaschisten war bereits im Vorfeld von starkem Protest begleitet. Schon am Wochenende vor dem Prozess demonstrierten etwa 400 Menschen am Samstag, 13.10. durch die Kieler Innenstadt, um ihre Solidarität mit dem Angeklagten im Speziellen und die generell zunehmende Kriminalisierung linker Politik im Allgemeinen zu zeigen. Diese drückt sich z.B. in den derzeit laufenden 129a-Verfahren („Bildung einer terroristischen Vereinigung“) gegen linke AktivistInnen aus.

Auch der Prozesstag selbst wurde von einer Kundgebung vor dem Gerichtsgebäude, an der sich trotz des ungünstigen Zeitpunktes bis zu 200 TeilnehmerInnen beteiligten, begleitet. Außerdem war der viel zu kleine Gerichtssaal durchgängig mit FreundInnen und GenossInnen des Angeklagten besetzt, die sich auch nicht durch eine massive Polizeipräsenz einschüchtern und durch überzogene Kontrollen am separaten Gerichtseingang abschrecken ließen.


Zurück zum 1. April 2006

Hintergrund der Anklage ist eine Auseinandersetzung zwischen Neonazis und Antifaschisten am 1. April 2006, bei dem ein Antifaschist durch einen Messerstich eines Neonazis schwer verletzt wurde. Dieses Ereignis nahmen Polizei und Staatsanwaltschaft unter Berufung auf Zeugenaussagen der beteiligten Neonazis zum Anlass, die linke Szene Kiels auszuschnüffeln und unter Druck zu setzen. So schöpften sie auch noch so unübliche Ermittlungsmaßnahmen aus: Es kam u.a. zu einer Hausdurchsuchung am 11.5.06 und zu mehreren Ermittlungsverfahren gegen tatsächliche oder vermeintliche AktivistInnen aus der linken Szene Kiels.


Gemeinsam lässt sich vieles ertragen!

Die große Beteiligung an den Solidaritätsaktionen hat den Betroffenen und ihrem Umfeld nach den eineinhalb Jahren erzwungener Auseinandersetzung mit dem Repressionsdruck, die geprägt waren von Spannungen, Verunsicherung, Überforderung und allem was staatliche Repression noch so mit sich bringt, viel Mut und Kraft gegeben. Diese wichtige Unterstützung und die öffentliche Klarstellung, dass jeglicher Widerstand gegen Neonazis immer und überall wichtig und legitim ist, müssen auch am zweiten Prozesstag fortgesetzt werden. Nur so können die Einzelnen, die sich die staatliche Repressionsmaschine stellvertretend für uns alle rauspickt, dazu ermutigt werden, sich trotz aller Unannehmlichkeiten nicht einschüchtern zu lassen und ihre politische Aktivität und ein selbstbestim-mtes Handeln fortzusetzen.

Deshalb: Früh aufstehen am 05.11.!


Montag, 05. November 2007:

  • Demonstration zum Amtsgericht: 8 Uhr, Exerzierplatz
  • Prozessbeginn: 9 Uhr, Amtsgericht Kiel (Deliusstraße 22), Saal 4


Antirepressionsgruppe 1. April und UnterstützerInnen

Freitag, 19. Oktober 2007

PRESSEMITTEILUNG der „Antirepressiongruppe 1. April“, 19.10.2007

- 200 Solidarische begleiten angeklagten Antifaschisten zum Prozess im Amtsgericht

- Prozess auf den 05.11. vertagt

- Sabine Münzer: „Starke Rückendeckung für den Angeklagten und weiteres
klares Zeichen für einen konsequenten Antifaschismus!“

Heute, am 19.10.07 fand vorm Kieler Amtsgericht der Prozess gegen einen Kieler Antifaschisten statt, dem die Staatsanwaltschaft gefährliche Körperverletzung an einem stadtbekannten Neonazischläger vorwirft. Schon ab 9 Uhr, einer Stunde vor Prozessbeginn, versammelten sich zeitweise 200 FreundInnen und politische WeggefährtInnen vor dem Amtsgericht zu einer Solidaritätskundgebung. In zwei Redebeiträgen wurden sowohl die skandalöse „Beweislage“, die lediglich auf den Zeugenaussagen und willkürlichen Identifizierungen von Neonazis beruht, als auch die Tatsache, dass Menschen überhaupt dafür bestraft werden sollen, sich gegen Neonazis zur Wehr zu setzen. Die Kundgebung wurde den ganzen Tag als Anlaufstelle für die vielen UnterstützerInnen, die keinen Platz mehr im Gerichtssaal fanden, aufrecht erhalten.

Der Prozess in dem mit solidarischen ProzessbeobachterInnen voll besetzten Saal 4 des Amtsgerichts wurde nach der Vernehmung verschiedener ZeugInnen, wie auch der beteiligten Neonazis, um 17 Uhr unterbrochen und eine Entscheidung auf den 05. November um 9 Uhr (Saal 2) vertagt.

Sabine Münzer von der Antirepressionsgruppe 1. April, die mit anderen Gruppen zur Kundgebung aufgerufen hatte, war erfreut über die große Unterstützung des Angeklagten: „Nachdem schon am Samstag 400 Menschen im Vorfeld des Prozesses an der Solidaritätsdemo in der Kieler Innenstadt teilgenommen hatten, war die heutige Kundgebung mit ihren 200 TeilnehmerInnen trotz Wochentag und der frühen Uhrzeit ein weiteres klares Signal: Dem Angeklagten konnte der Rücken gestärkt werden und klar gemacht werden, dass er nicht alleine dasteht, sondern viele mehr sich angesprochen fühlen. Außerdem wurde klargemacht: Es ist völlig legitim, wenn Menschen gegen die alltägliche Neonazibedrohung Widerstand leisten. Der Justizapparat braucht wohl seine Zeit, um das zu verstehen und hat das Urteil vertagt. Klar ist: Wir werden den Angeklagten auch am 05.11. wieder öffentlich wirksam begleiten.“

Hintergrund der Anklage ist eine Auseinandersetzung zwischen Neonazis und Antifaschisten am 1. April 2006, bei dem ein Antifaschist durch einen Messerstich eines Neonazis schwer verletzt wurde. In dessen Folge kam es mit Hilfe von Zeugenaussagen der beteiligten Neonazis u.a. zu einer Hausdurchsuchung und mehreren Ermittlungsverfahren gegen tatsächliche oder vermeintliche AktivistInnen aus der linken Szene Kiels.

Donnerstag, 18. Oktober 2007

INFOS für den 19.10.

Hier die letzten News für den morgigen Prozesstag:

Neuer Raum
Der Prozess wurde in einen größeren Raum verlegt und findet nun ab 10 Uhr statt im Saal 6 im Saal 4 des Amtsgericht Kiel (Deliusstraße 22) statt.

EA
Der Ermittlungsausschuss ist morgen ab Kundgebungsbeginn um 9 Uhr unter der Nummer 0160-16 57 128 zu erreichen.


SEID SOLIDARISCH MIT DEM ANGEKLAGTEN GENOSSEN UND KOMMT ZAHLREICH!

Samstag, 13. Oktober 2007

PRESSEMITTEILUNG der „Antirepressiongruppe 1. April“, 13.10.2007

- 400 TeilnehmerInnen auf antifaschistischer Antirepressionsdemonstration für angeklagten Antifaschisten in Kiel

- Sabine Münzer: „Deutliches Zeichen gegen die Kriminalisierung linker Politik und für eine konsequente antifaschistische Praxis.“

- Weitere Solidaritätskundgebung zum Prozess am Fr., 19.10., ab 9 Uhr vor dem Amtsgericht Kiel

Heute, am 13.10.07 demonstrierten am frühen Nachmittag bei sonnigem Wetter fast 400 Menschen unter dem Motto „Solidarität mit dem angeklagten Antifaschisten! Der Kampf gegen (Neo)Nazis ist notwendig. Gegen die Kriminalisierung linken Widerstands!“ in der Kieler Innenstadt lautstark ihre Solidarität mit einem wegen des Vorwurfs der gefährlichen Körperverletzung an einem stadtbekannten Kieler Neonazischläger angeklagten Antifaschisten. Auf insgesamt vier Kundgebungen wurde mehrfach auf den anstehenden Prozess gegen den Kieler Antifaschisten am kommenden Freitag und seinen Hintergrund, auf die Notwendigkeit einer konsequenten antifaschistischen Praxis und auf weitere Fälle von Repressionen gegen linke AktivistInnen wie die aktuell laufenden Verfahren nach §129a („Bildung einer terroristischen Vereinigung“) hingewiesen.

Sabine Münzer von der Antirepressionsgruppe 1. April, die zusammen mit elf weiteren Gruppen und Zusammenhängen aus dem linken und antifaschistischen Spektrum zur Demo aufgerufen hatte, bewertete die Veranstaltung als gelungene Aktion im Vorfeld des Prozessen: „400 Menschen haben heute deutlich gezeigt, dass sie es nicht widerspruchslos hinnehmen, dass ein Mensch aus dem bloßen Grund, ein linker Aktivist zu sein, vor Gericht gestellt wird und sich die Staatsanwaltschaft die hierfür nötigen Aussagen ausgerechnet von Neonazischlägern holt. Und dann auch noch für eine Tat, die eigentlich selbstverständlich sein sollte: Den Widerstand gegen unerträgliche Nazis!“

Das Solidaritätsbündnis ruft für Freitag, 19. Oktober ab 9 Uhr zu einer weiteren Kundgebung vor dem Amtsgericht Kiel auf. Hier soll ab 10 Uhr im Saal 6 der besagte Prozess stattfinden.

Hintergrund der Anklage ist eine Auseinandersetzung zwischen Neonazis und Antifaschisten am 1. April 2006, bei dem ein Antifaschist durch einen Messerstich eines Neonazis schwer verletzt wurde. In dessen Folge kam es mit Hilfe von Zeugenaussagen der beteiligten Neonazis u.a. zu einer Hausdurchsuchung und mehreren Ermittlungsverfahren gegen tatsächliche oder vermeintliche AktivistInnen aus der linken Szene Kiels.

REDEBEITRAG der Antirepressionsgruppe 1. April / Antifa-Antirepdemo, Kiel, 13.10.

Wir freuen uns sehr, dass ihr alle hier heute in der Kieler Innenstadt erschienen seid, um mit uns gegen staatliche Repression gegen linke Politik im allgemeinen und in Solidarität mit dem angeklagten Antifaschisten im speziellen zu demonstrieren. Wir möchten uns im Folgenden diesem konkreten Anlass der Demo, also dem Prozess am nächsten Freitag, 19. Oktober, bei dem unser Genosse der gefährlichen Körperverletzung an dem stadtbekannten Nazischläger D.R. beschuldigt wird und seiner Vorgeschichte widmen.
Zurück geht dieser Vorwurf auf eine Auseinandersetzung zwischen Neonazis und einer Gruppe Antifaschisten am 01. April 2006, bei der sich die Antifas weigerten, sich dem einschüchternden und offenen Auftreten der Neonazis zu beugen, sondern sich offensiv gegen diese verteidigten. Dass D.R. während der Auseinandersetzung ein Messer zückte und einen der Antifas schwer verletzte, unterstrich dabei die Gefährlichkeit einer Kombination aus Gewaltgeilheit und neonazistischer Menschenhassidelogie, die einen offensiven Umgang mit Nazis erst recht in dieser Situation zu einer Notwendigkeit machte.

Bereits wenige Wochen später, in den Morgenstunden des 11. Mai, verdeutlichten Polizei und Staatsanwaltschaft, dass sie mit Hilfe einer Anzeige und einer willkürlichen Identifizierung eines linken Aktivisten durch den Messerstecher R., die Auseinandersetzung vom 1. April zum willkommenen Anlass nehmen würden, Personen aus der linken Szene Kiels auszuschnüffeln. Mit der Begründung, vermeintliche Tatwerkzeuge sicherzustellen, durchsuchten sie die Wohnung des Angeklagten und parallel dazu einen Privat-PKW. Ermittlungsmaßnahmen, die nach einer unpolitischen Diskoschlägerei undenkbar wären.
In den folgenden Monaten kam es zudem zu mindestens drei weiteren, nach wie vor laufenden, Ermittlungsverfahren, von denen sich zwei ebenfalls auf die Zeugenaussagen der Nazischläger gegen tatsächliche und vermeintliche linke Aktivisten aus Kiel, stützen.

Was die Ermittlungen, die Hausdurchsuchung und schließlich die Anklage bezwecken sollen, liegt auf der Hand. Es geht Polizei und Staatsanwaltschaft natürlich nicht in erster Linie nur um die Aufklärung einer Straftat in ihrer bürgerlichen Auffassung, sondern um die Ausspionierung und Einschüchterung linker Aktivisten. Und wir können an dieser Stelle leider nicht erwidern, dass diese Taktik nicht aufgegangen wäre. Als die Repressionsschläge nach und nach auf uns, also die Betroffenen und ihren UnterstützerInnenkreis einprasselten, handelten wir auf einamal nicht mehr mit kühlem Kopf nach unseren politischen Überzeugungen. Auf einmal stand es nicht mehr außer Frage, mit der Justiz oder der Staatsanwaltschaft zusammenzuarbeiten, also mit denjenigen, die uns erst die Scheiße eingebrockt haben und meinen, über uns richten und uns anklagen zu dürfen. Stattdessen legten wir uns Argumente zurecht, warum ausgerechnet unserer Fall eine besondere Situation sein sollte und es eine Chance darstellen könnte, der Gegenseite mit Aussagen auszuhelfen. Erst als die Planlosigkeit und Fahrlässigkeit unseres Vorgehens nicht mehr zu übersehenden Schaden anzurichten drohte und auch tat, taten wir das, was wir sonst so gern auf viele Flugblätter und Aufkleber schreiben: Wir wandten uns nach über einem halben Jahr des Vertuschens unserer Situation an GenossInnen und forderten Solidarität ein. Wenn mit diesem Schritt auch noch lange nicht alle Unsicherheit, mangelnde Bereitschaft zur politischen Auseinandersetzung und Öffnung der Szene gegenüber überwunden waren und immer noch nicht sind, möchten wir an dieser Stelle dennoch allen GenossInnen, die ähnliche Erfahrungen wie wir gemacht haben, machen oder machen werden, ans Herz legen: Nehmt die Parolen um Dinge wie Aussageverweigerung ernst und setzt Euch mit den Diskussionen auseinander, die hinter ihnen stehen. Und vorallem: Tut dies nicht allein im stillen Kämmerlein oder in einer heimlichen Runde mit dem Anwalt, sondern wendet Euch an Eure GenossInnen. Denn nur so können wir der durchaus richtigen Erkenntnis der Parole "Angeklagt ist einer, gemeint sind wir alle!", langfristig mit der Waffe der Solidarität entgegen.

Umso schöner ist zu sehen, dass wir heute trotzdem in Form dieser antifaschistischen Antirepressionsdemo gemeinsam und stark nach in die Öffentlichkeit tragen, dass es ein Skandal ist, dass wir in einem Staat leben, in dem messerstechende Neonazis nur auf ein Bild irgendeines linken Aktivisten zeigen müssen um einen Repressionsaparat in Gang zu setzen. Genauso wollen wir nochmal klar und deutlich sagen, dass wir es keinesfalls falsch und als zu bestrafend finden, wenn Menschen aktiv werden, um öffentlich auftretenden Neonazis ihren Raum zu nehmen und sie in ihrer Bewegungs- und Handlungsfreiheit einzuschränken. Und dies egal wann und egal wo und ob aus einer passiven Verteidingungslage hinnaus oder in Form einer offensiven Aktion: Diejenigen, die sich aus rassistischen, antisemitischen oder nationalistischen Gründen heraus nehmen zu glauben, mehr Wert zu sein als andere und sich positiv auf die massenmörderische Ideologie und Praxis der Nationalsozialisten beziehen und diese, wenn sie könnten, wiederholen würden, haben nichts anderes verdient, als tagtäglich und überall wo sie auftauchen, Probleme zu kriegen.

In diesem Sinne wünschen wir uns für heute eine kraftvolle Demo und hoffen Euch alle am kommenden Freitag, 19.10. um 9 Uhr vor dem Amtsgericht Kiel auf der Kundgebung wiederzusehen und dannach ab 10 Uhr den angeklagten Genossen im Gerichtssaal durch Eure Anwesenheit beim Prozess zu unterstützen.

DENN DER KAMPF GEGEN (NEO)NAZIS IST NOTWENDIG!
SOLIDARITÄT MIT DEM ANGEKLAGTEN ANTIFASCHISTEN UND ALLEN ANDEREN VON REPRESSION BETROFFENEN LINKEN AKTIVISTiNNEN!

REDEBEITRAG der Gruppe Zunder (Kiel) / Antifa-Antirepdemo, Kiel, 13.10.

Grund der heutigen Demo ist im speziellen die Unterstützung für einen angeklagten Antifaschisten. Im Allgemeinen bringen wir jedoch nicht nur unsere Solidarität mit einer einzigen Person auf die Strasse, sondern zeigen uns solidarisch mit Menschen die sich notwendigerweise auf den unterschiedlichsten Ebenen Naziideologie, ihren Angriffen und ihren Strukturen entgegenstellen. Und wir zeigen uns kämpferisch, weil das herrschende System versucht genau diese Praxis zu verhindern und zu unterbinden, sie kriminalisiert und linke AktivistInnen damit konkret angreift.

Im Gegensatz zur Propagandamaschinerie der Parteien und bürgerlichen Medien, sehen wir Nazis nicht im luftleeren Raum oder betrachten sie als angeblich isolierte Randgruppe.
Ihre Ideologie und ihr rassistisches, sexistisches und antisemitisches Denken findet sich in einem nicht geringen Teil der deutschen Bevölkerung wieder. Zwar wird sich offiziell immer gerne von Nazis distanziert und Zivilcourage gefordert, doch genau dieses aktuelle Kieler Beispiel, dass uns heute hier auf die Straße gehen lässt, zeigt einen bezeichnenden Ausschnitt der Verhältnisse in der BRD:
Antifaschistische Aktion und Gegenwehr wird mit Repression überzogen, während bekannte Nazischläger weiterhin ungestört öffentlich auftreten und im Endeffekt sogar die entscheidenden Zeugen im Gerichtsaal sein werden.
Das Justiz und Polizei nicht nur in diesem Fall den Nazis den Ball zu spielen und ihre Strukturen damit schützen, wird öffentlich meistens ausgeblendet.

Natürlich, der kapitalistische Nationalstaat BRD wehrt sich gegen alles was nicht in das Konzept von Profitmaximierung und Standortlogik passt. In einigen Bereichen mögen das auch Neo-Nazis sein, in erster Linie ist dies jedoch die gängige Reaktion, gegen linke AktivistInnen und Menschen die gewollt oder ungewollt nicht in Logik und Raster gesellschaftlicher Normen und Anforderungen passen.
So bleibt die staatliche Forderung nach „Zivilcourage“ nichts als eine Farce, ist es doch derselbe Staat der Menschen in Deutsche und Ausländer kategorisiert, Menschen ohne Pass in Abschiebeknäste sperrt, sie deportiert und die Außengrenzen militärisch abriegelt.
Und es ist das logische Prinzip eines jeden Staates, weil es vor dem Hintergrund der eigenen Interessen immer um Imagepflege, nicht jedoch um tatsächliche moralische oder politische Forderungen geht.

Diese alltägliche rassistische Normalität spiegelt sich auch auf gesellschaftlicher Ebene wieder. Denn das neonazistische Weltbild von Verschwörungstheorien als Erklärung für die trostlose kapitalistische Realität und ihr widerwärtiger Stolz auf die „Heimat“, findet in der Bevölkerung mehr Zuspruch als sich viele eingestehen wollen. Gerade durch den Widererstarkten Patriotismus seit der WM letzten Jahres, gehört das Bekenntnis zur Nation wieder zum guten Ton. Wehende Deutschland-Fahnen und patriotischer Krimskrams haben ihren Weg zurück in die Köpfe gefunden und Kritik daran wird als verkrampft, überholt oder destruktiv abgestempelt. Dass jedoch so genannter Patriotismus, sowie Nationalismus und Rassismus dieselben ausschließenden Mechanismen in sich tragen, auf die Nazis schon immer gebaut haben, bleibt auch hier außen vor.
Trauriges und aktuelles Beispiel war die Hetzjagd gegen MigrantInnen in Mügeln, vor knapp 2 Monaten. Sie zeigt deutlich auf welcher Seite der deutsche Mob im Falle das Falles steht und das Neo-Nazis keineswegs gesellschaftlich isoliert sind, sondern in den Gemeinden, bürgerlichen Vereinen und am Stammtisch fest dazu gehören.
Die darauf folgende Antifa-Demo durch Mügeln brachte es auf den Punkt: DAS PROBLEM HEIßT RASSISMUS. Und wir sagen im gleichen Atemzug, das Problem heißt Nationalismus und es heißt genauso auch einfach Deutschland….

Es sind also keine rosigen Zeiten für uns als aktive linke AntifaschistInnen. Doch genau dass macht es grade notwendig, weiterhin entschlossen und vereint gegen FaschistInnen vorzugehen. Und es macht es erst recht notwendig, unsere GenossInnen nicht alleine stehen zu lassen und uns der Staatlichen Kriminalisierung, ihrer Gewalt und Repression nicht zu beugen.

Für grenzenlose Solidarität und einen konsequenten Antifaschismus!

Freitag, 12. Oktober 2007

LETZTE INFORMATIONEN zur antifaschistischen Antirepressionsdemo

Morgen (Sa., 13.10.), 14 Uhr, Asmus-Bremer-Platz Kiel

- AUFTAKT:
Nach einigem Hin- und Her startet die Demo nun doch wie ursprünglich geplant vom Asmus-Bremer-Platz und nicht wie letzte Woche verkündet vom Europaplatz.

- EA:
Der Ermittlungsausschuss ist morgen unter der Nummer 0431-56 37 17 zu erreichen.

- WETTER:
Das Wetter soll sonnig werden, also kommt zahlreich und zeigt Solidarität mit dem angeklagten Antifaschisten!

Mittwoch, 10. Oktober 2007

ERKLÄRUNG des Runden Tischs gegen Rassismus und Faschismus Kiel:

Kieler Antifaschist vor Gericht

Am 1. April 2006 wurden junge Kieler Antifaschisten vor einem Gaardener Supermarkt von Nazi-Schlägern angegriffen. Sie setzten sich zur Wehr. Einer von ihnen wurde von einem Faschisten mit einem Messer schwer verletzt. Staatsanwaltschaft und Polizei konzentrierten ihre Tätigkeit in der Folgezeit nicht auf die Faschisten, sondern auf die Einschüchterung der Antifaschisten und das Ausspionieren autonomer antifaschistischer Strukturen zum Beispiel durch Wohnungsdurchsuchungen. Während die Überfallenen (leider) auf Anzeigen verzichtet hatten, erstatteten nun die Nazis Anzeige gegen einen ihnen bekannten jungen Mann, dessen Teilnahme an den Auseinandersetzungen sie behaupteten und dem nun „gefährliche Körperverletzung“ vorgeworfen wird.

Am 19. Oktober wird diesem jungen Mann vor dem Kieler Amtsgericht der Prozess gemacht. Ihm gehört wie allen Menschen, die wegen ihres antifaschistischen Engagements ins Visier faschistischer Verbrecher geraten und sich gegebenenfalls gegen sie zur Wehr setzen, unsere Solidarität. Wer einen von uns angreift, greift uns alle an.
Seit Jahren setzen sich die TeilnehmerInnen des Runden Tisches gegen Rassismus und Faschismus dafür ein, dass die Faschisten der NPD, der „Freien Kameradschaften“ und anderer Organisationen sowie ihre Mitläufer in Kiel auf Widerstand stoßen. Besonders in Stadtteilen wie Gaarden, in denen Menschen vieler Mutterländer und Kulturen zusammenleben und die darüber hinaus unter den unsozialen Gesetzen und Maßnahmen der Regierungen besonders zu leiden haben, ist dieser Widerstand notwendig. Er schließt gegenseitigen Beistand und das Bemühen um ein friedliches Miteinander sowie den Kampf für eine bessere Zukunft mit einer gemeinsamen Kultur des antifaschistischen und antirassistischen Handelns ein.

Einer solchen Entwicklung stehen nicht nur die Ideologie und die gewalttätigen Übergriffe der Faschisten entgegen. Sie wird auch behindert durch die Politik der Überwachung, Einschüchterung, der ständigen Kontrolle von AntifaschistInnen und anderen Menschen, die sich gegen rechte Gewalt und auch gegen den Abbau der Demokratie einsetzen, durch die Sicherheitskräfte des Staates. In einem Klima der Angst kann gegenseitiger Beistand schlecht gedeihen. Erlebte Solidarität hilft, Angst zu überwinden.

In diesem Sinne rufen wir dazu auf, den angeklagten Antifaschisten im Gerichtssaal und im Rahmen von Kundgebungen und Demonstrationen zu unterstützen.

Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen! Solidarität ist unsere Stärke! In Kiel ist kein Platz für Nazis!

Sa. 13.10.07 14 Uhr Asmus-Bremer-Platz: Demonstration gegen die Kriminalisierung antifaschistischen Widerstands

Fr. 19.10.07 9 Uhr Amtsgericht Kiel: Solidaritätskundgebung

Sonntag, 7. Oktober 2007

PRESSEMITTEILUNG der „Antirepressiongruppe 1. April“, 07.10.2007

- Antifaschistische und linke Gruppen rufen zu Solidaritätsaktionen mit angeklagtem Antifa-Aktivisten auf

- Zentrale Demonstration am Sa., 13.10., 14 Uhr, Europaplatz Kiel

- Sabine Münzer: „Wir werden den skandalösen Prozess am 19.10. nicht widerspruchslos hinnehmen!“


Am Fr., 19. Oktober kommt es vorm Kieler Amtsgericht (10 Uhr, Saal 6) unter dem Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung (§224 StGB) an einem stadtbekannten Neonazi zu einem Prozess gegen einen linken Aktivisten. Aus diesem Grunde rufen insgesamt elf Gruppen und Organisationen aus dem linken und antifaschistischen Spektrum unter dem Motto "Solidarität mit dem angeklagten Antifaschisten! Der Kampf gegen (Neo)Nazis ist notwendig. Gegen die Kriminalisierung linken Widerstands!" zu verschiedenen Solidaritätsaktionen auf. Die zentrale Veranstaltung ist für Sa., 13. Oktober mit einer antifaschistischen Antirepressionsdemo in der Kieler Innenstadt geplant, die um 14 Uhr vom Europaplatz starten wird. Auch am Prozesstag (19.10.) soll ab 9 Uhr morgens vor Prozessbeginn eine Kundgebung vorm Amtsgericht stattfinden. Außerdem findet in der Alten Meierei am Mi., 10. Oktober (20.30 Uhr) ein Solidaritätskonzert mit internationalen Bands und am Do., 11. Oktober (19 Uhr) eine Informationsveranstaltung zum Thema im Rahmen des Antifa-Cafés statt.

Sabine Münzer von der "Antirepressionsgruppe 1. April" zu der Zielsetzung der Aktionsreihe: "Wie angekündigt werden wir und andere AntifaschistInnen aus Schleswig-Holstein und Hamburg es nicht unwidersprochen hinnehemen, dass ein linker Aktivist auf der Anklagebank sitzt und durch staatliche Bestrafungsmaßnahmen bedroht ist, weil ein stadtbekannter Neonazischläger ihn als einen derjenigen wieder erkannt haben will, die sich der Ausübung seines Nazidaseins am 1. April 2006 vor einem Gaardener Supermarkt in den Weg stellten. Der Prozess ist ein Skandal: Weder ist es ein Verbrechen, sich gegen neonazistischen Straßenterror zur Wehr zu setzten, noch steht es der Staatanwaltschaft zu, auf das willkürliche Anraten von Neonazis hin, linke Aktivisten anzuklagen. Dies wollen wir auf die Straße tragen!"

Hintergrund des Prozesses am 19. Oktober ist eine Auseinandersetzung am 1. April letzten Jahres vor einem Supermarkt in Kiel-Gaarden, bei der sich Antifaschisten gegen Drohungen und Angriffe von stadtbekannten Neonazischlägern verteidigten und ein Antifaschist schwer verletzt wurde. Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln seitdem mit Begründung von Zeugenaussagen der Neonazis gegen mindestens drei Antifaschisten. In diesem Zuge wurde auch am 11.05.2006 die Wohnung des Angeklagten durchsucht.

Montag, 1. Oktober 2007

AUFRUF: Solidarität mit dem angeklagten Antifaschisten!

Der Kampf gegen (Neo)Nazis ist notwendig. Gegen die Kriminalisierung linken Widerstands!


Prozess gegen Kieler Antifaschisten

Am 19. Oktober kommt es vor dem Amtsgericht Kiel zum Prozess gegen einen Kieler Antifaschisten, dem die „gefährliche Körperverletzung“ (§ 224, StGB) an einem stadtbekannten Neonazischläger vorgeworfen wird. Zurück geht die Anklage auf eine Auseinandersetzung vor einem Supermarkt in Kiel-Gaarden am 1. April letzten Jahres. Hier kam es zu Einschüchterungsversuchen und Angriffen von stadtbekannten Kieler Nazischlägern gegen eine Gruppe Antifaschisten, die sich dagegen zur Wehr setzte. Einer der Neonazis zückte dabei ein Messer und verletzte einen der Antifas schwer.

Bereits einen guten Monat nach den Ereignissen wurde klar, dass Staatsanwaltschaft und Polizei die Auseinandersetzung zum Anlass nehmen würden, sich Erkenntnisse über Strukturen der linken Szene Kiels zu verschaffen, als es am 11.5.06 zur polizeilichen Durchsuchung der Privatwohnung des Angeklagten kam. Außerdem wurde der PKW einer weiteren Person durchsucht.

Für diese, bei unpolitischen Körperverletzungsdelikten absolut unübliche Ermittlungsmaßnahme, unter dem Vorwand, vermeintliche Tatwerkzeuge sicher stellen zu wollen, genügten der Staatsanwaltschaft die Zeugenaussage und Anzeige durch den messerstechenden Neonazi. Er will den Antifaschisten als einen der Beteiligten vom 1. April wieder erkannt haben. Neben der Anklage gegen diesen Betroffenen kam es darüber hinaus in den vergangenen 1 1/2 Jahren zu Ermittlungsverfahren gegen mindestens zwei weitere Menschen unter dem gleichen Vorwurf. Auch hier ist in einem Fall die absolut willkürliche Identifizierung eines nach Neonazizeugenaussage dabei gewesenen Antifas Grund für die Ermittlungen.


Repression reloaded

Dieser Fall reiht sich ein in eine Repressionsflut gegen linke AktivistInnen, die derzeit durch die Bundesrepublik rauscht. Die bekanntesten Beispiele sind die derzeitigen Verfahren wegen der „Bildung einer terroristischen Vereinigung“ nach §129a: Bereits vor dem G8-Gipfel kam es am 9.5. in Hamburg und Berlin zu Durchsuchungen von Wohnungen und Zentren und Ermittlungen gegen AktivistInnen, denen die Bundesanwaltschaft (BAW) die Beteiligung an verschiedenen Brandanschlägen vorwarf. Dass diese ein bloßer Vorwand waren, die Vorbereitungen der Aktivitäten gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm zu behindern, durchschaute sogar die bürgerliche Presse.

Doch auch dies hinderte die BAW nicht, fast genau einen Monat später, am 13. und 19. Juni 07 wiederum Privatwohnungen linker AktivistInnen und Projekte in Hamburg, Berlin und Bad Oldesloe zu durchsuchen. Auch diesmal waren der Anlass einige teils Jahre zurückliegende, antimilitaristische Aktionen gegen Fahrzeuge der Bundeswehr und von Rüstungszulieferern. Dass das willkürliche Ausmaß der Ermittlungen jederzeit immer größere Formen annehmen kann, verdeutlichte eine Zeuginnenvorladung einer Kieler Aktivistin Ende Juli. Da die vorgeladene Genossin unter Berufung auf den §55 (persönliche Gefährdung durch Selbstbelastung) die Aussage verweigerte und klar ist, dass sie in dem Verfahren keine Aussage machen wird, drohen ihr, sollte er nicht anerkannt werden, Zwangsmittel bis zu einem halben Jahr Beugehaft.

Der §129a ist offensichtlich weiterhin fest im Katalog der beliebig einsetzbaren, gängigen Repressionsmittel verankert und wird mittlerweile bei jeder Kleinigkeit angewandt. Ein weiteres 129a-Verfahren gegen vermeintliche Mitglieder der seit Jahren im Raum Berlin aktiven sozialrevolutionären „militanten Gruppe (mg)“ wurde am 31. Juli bekannt, als vier Linke festgenommen wurden. Drei von ihnen sitzen nach wie vor in Haft.


Aber auch abseits dieser gleichsam prominenten wie schwerwiegenden Fälle von staatlichen Maßnahmen gegen linke Politik, kommt es auch im Alltag und im direkten Umfeld zu Schikanen gegen unliebsame Linke. So wurde im Vorfeld einer Antirepressionsdemo (!) in Eckernförde, die

sich gegen das Verbot eines Antifa-Festivals wandte, unter einem abenteuerlichen Vorwand der Wohnraum des Anmelders durchsucht. Diese Racheaktion der Eckernförder Polizei wegen einer Klage des Betroffenen gegen überzogene Demoauflagen, sollte den AktivistInnen wie auch in allen anderen erwähnten Fällen klar machen: Wer sich nicht an die staatlich vorgegebenen und polizeilich durchgesetzten Spielregeln hält, wer Kritik übt und sie gar in die Praxis umzusetzen versucht, der/die wird mit Durchsuchungen, Drohungen,
Überwachungsmaßnahmen oder sogar Strafen bis hin zur Haft überschüttet und zwar auf einer gesetzlichen Grundlage.


Konsequenter Antifaschismus ist eine Notwendigkeit und kein Verbrechen!

Eine Kritik an dem Zustand, dass Neonazis in Deutschland als solche öffentlich auftreten und sogar Menschen bedrohen können, in die Praxis umgesetzt und dabei die staatlich vorgegebenen Spielregeln verletzt, hat auch die Gruppe von Antifaschisten, die sich am 1. April 2006 nicht einschüchtern ließ, sondern sich gegen die Bedrohung durch die Neonazis zur Wehr setzte.

Was an Orten passiert, an denen eine solche Praxis alles andere als gängig ist, zeigt beispielhaft die rassistische Hetzjagd einer Koalition von Nazis und deutschen ProvinzbürgerInnen auf MigrantInnen am Rande eines Stadtfestes in der sächsischen Kleinstadt Mügeln. Den Opfern war es nicht möglich, die Angriffe erfolgreich abzuwehren und anstatt den MigrantInnen zu Hilfe zu eilen, sah die übergroße Mehrheit der FestbesucherInnen weg oder machte sogar gleich fröhlich mit. Der Mügelner Bürgermeister Deuse (FDP) legte nachträglich unfreiwillig offen, was das Problem hinter dem rassistischen Exzess ist, als er versuchte das Geschehene herunterzuspielen: „“Ausländer Raus!“ Parolen können jedem mal über die Lippen kommen!“. Wie beim drohenden Imageverlust durch mediale Aufmerksamkeit nach rassistischen Übergriffen üblich, war mensch auch nach Mügeln bis in höchste Regierungskreise z.B. in Person des Vize-Regierungssprechers Thomas Steg „außerordentlich betrübt“ und „bekümmert" und forderte, „dagegen vorzugehen“.
Vor dem Supermarkt in Kiel-Gaarden wurde diese bis in politisch bürgerliche Kreise weit verbreitete (richtige) Forderung in die Praxis umgesetzt: Potenzielle Opfer neonazistischer Gewalt wehrten sich, Umstehende eilten zu Hilfe.

Die Quittung für diesen Ablauf, der eigentlich selbstverständlich sein sollte, aber in Deutschland leider die Ausnahme darstellt, haben nun die Betroffenen der Ermittlungsverfahren und vor allem der Angeklagte zu tragen. Denn eine Forderung nach Einschreiten, Nicht-Wegsehen, Zivilcourage und Kampf gegen Neonazigewalt bedeutet noch lange nicht die Erwünschtheit ihrer Umsetzung. Wenn PolitikerInnen oder sonstige RepräsentantInnen der deutschen Gesellschaft solche Forderungen aufstellen, bedeutet dies zu allererst die Sorge um regionale Wirtschaftsstandorte, wo ein „ausländerfeindliches Image“ InvestorInnen abschrecken könnte. Auch auf internationaler Ebene, macht sich öffentlich gewordene Neonazigewalt schlecht, wenn mit einer angeblichen Lehre aus der eigenen deutschen Nazivergangenheit Angriffskriege und eine politische Vormachtstellung Deutschlands gerechtfertigt werden sollen. Das Problem ist in ihrer Logik also nicht die Existenz von Rassismus und Neonazismus, sondern der Imageschaden, den die Nation oder die Stadt erleidet, wenn sie öffentlich wird.

Also wird totgeschwiegen, heruntergespielt und erst dann, wenn alles nicht mehr fruchtet, sich antifaschistisch gegeben. Ein Nazirichter Filbinger wird, um seine gesellschaftlich etablierte Funktion auch nach dem Nationalsozialismus nachträglich zu rechtfertigen, auf diesem Wege auch schon mal zum antifaschistischen Widerstandskämpfer umgelogen.

Hierzu passt dann eben auch, dass Menschen, für die Antifaschismus eine Überzeugung und notwendige Handlung und keine Heuchelei ist, genauso als Störenfriede behandelt werden, wenn sie dafür sorgen, dass das Fortbestehen nationalsozialistischer Ideologie in Deutschland öffentlich wird. Mit repressiven Mitteln sollen sie, wie die betroffenen Kieler Antifas, an ihrer Aktivität gehindert werden.


Gemeinsam gegen die Taktik der Repression

Damit die staatlichen Repressionsorgane hiermit nicht erfolgreich sind, wollen wir gerade dann, wenn Menschen mit staatlicher Gewalt zum Schweigen gebracht werden sollen, unüberhörbar verdeutlichen, dass hier eben so einiges nicht stimmt. Wir wollen aufzeigen, dass die bürgerlich-kapitalistische Bundesrepublik Deutschland eben nicht antifaschistisch ist, sondern ihr Gesetzbuch konsequenten Antifaschismus kriminalisiert. Wir wollen auf die Existenz von Neonazis und Rassismus in Deutschland, auf den heuchlerischen und unmenschlichen Umgang damit im bürgerlichen Kapitalismus und auf die Kriminalisierung derjenigen, die sich dagegen zur Wehr setzten, hinweisen.

Daher rufen wir dazu auf, sich an der antifaschistischen Antirepressions- Demonstration zu beteiligen und den Angeklagten im Gerichtssaal und auf der Kundgebung davor zu unterstützen.

Raus auf die Straße für konsequent antifaschistische Aktionen und gegen die Kriminalisierung linken Widerstands!


Sa., 13.10., 14 Uhr, Asmus-Bremer-Platz, Kiel: Antifaschistische-Antirepressions-Demo.

Fr., 19.10., Amtsgericht Kiel, 9 Uhr: Kundgebung. 10 Uhr: Prozess (Saal 6).


Fr., 05.10.,: Infoveranstaltung in Hamburg FÄLLT LEIDER AUS!

Mi., 10.10., 21 Uhr, Alte Meierei:
Solikonzert mit Esclaves Salaries, Pannkooken und La Casa Fantom

Do., 11.10., 19 Uhr: Infoveranstaltung in Kiel
Antifa-Café in der Alten Meierei


Den Aufruf unterzeichnen: AAZ (Kiel/Hamburg), Antifa Jugend Kiel (ajk), Antifaschistische Aktion Rendsburg, Antirepressionsgruppe 1. April, Autonome Antifa Eckernförde [AAE], Autonome Antifa Ostholstein [AAOH], Avanti-Projekt undogmatische Linke Kiel, Die BewohnerInnen der Alten Meierei, Bündnis Autonomer Antifas Nord [BAAN], Gruppe Zunder (Kiel), Rote Hilfe OG Kiel, Soliplenum §129a zusammenfalten (Kiel).

Über den Umgang mit Repression

„Anna und Arthur halten’s Maul!“ und „Solidarität ist eine Waffe!“, klare Sache! Denn wir alle Wissen natürlich Bescheid, wie wir mit Repression umzugehen haben. Welches die sinnvollsten Schritte sind, nachdem ´ne die Vorladung auf dem Tisch liegt und was ein Prozess politisch bedeutet. Alle haben wir immer und überall klar, was wir mit einer Prozessführung bezwecken wollen, welche Ziele wir uns damit setzen. Wir auch! Zumindest solange, bis es tatsächlich mal soweit ist und mensch selber betroffen ist.


Dann wird aus den allseits bekannten Parolen auch schnell mal „Anna und Arthur halten’s Maul – gegenüber den GenossInnen“ oder „Solidarität ist ein Laster“. Schnell sind Gründe dafür gefunden, weshalb der eigene Prozess eine Ausnahme von der gängigen, seit Jahrzehnten diskutierten Praxis linker Prozessführung sein soll und statt einer –vielleicht auch kritischen- Auseinandersetzung mit dieser Praxis, wird der eigene Fall aus Angst vor den „verbohrten“ und „dogmatischen“ GenossInnen und einer Ächtung durch die Szene vertuscht und schöngeredet. So findet die Prozessvorbereitung allein mit dem Anwalt und vielleicht noch mit dem engsten Umfeld statt, es werden klammheimlich Deals mit der Staatsanwaltschaft gemacht, Öffentlichkeitsarbeit findet nicht statt und danach wird, wenn’s hoch kommt, vielleicht noch mal die Hand nach ´nem Solieuro aufgehalten. Aber trotzdem bleibt Solidarität ´ne Waffe und eigentlich halten wir ja auch das Maul.


Für uns hat dieser, in weiten Teilen der Szene gängige Umgang mit Repression, nichts als Verunsicherung, Überforderung und grob fahrlässiges Handeln bedeutet. Auch wir haben die Szene lange im Unklaren über unsere Situation gelassen und haben von der ihr eigentlich nur Ächtung und eben keine Solidarität erwartet. Hinzu kam, dass die Praxis einer kollektiven Prozessvorbereitung in unseren Köpfen verblichen oder uns völlig unbekannt gewesen ist. Auf die Idee, dass mensch sich zu allererst an seine/ihre GenossInnen wenden sollte, sind wir gar nicht erst gekommen. Klar war nur: „Schnauze halten!“ und das allen gegenüber. Der Anwalt wird schon am besten wissen, was zu tun ist. Wir haben seine Aufgaben in der gesamten Beratung und Verteidigung gesehen und nicht erkannt, dass es sich bei der juristischen und der politischen Verteidigung um zwei unterschiedliche Aufgabenfelder handelt. Dass ein Anwalt jedoch eigentlich ausschließlich die erstere leisten kann, war uns schlichtweg unbewusst. Genauso, dass die politische Verteidigung nur durch eine Szene geführt werden kann und muss. Und dass mensch einen auf politischer Ebene sinnvollen Umgang finden muss und das, was dabei durch GenossInnen getragen werden kann, eben nicht allein entschieden werden kann, sondern dies einem kollektiven Entscheidungsprozess entspringen muss, von solchen Gedanken waren wir weit entfernt.


Die einfachste Erklärung für unseren Umgang wäre –na klar- das Verhalten der verbohrten DogmatikerInnen. Leider mussten wir feststellen, dass das Problem vielmehr hausgemacht ist. Statt das Feld von Vorn zu beackern, also uns die Fragen zu stellen „Was bedeutet der Prozess politisch?“, „Was sind unsere Ziele in dem Prozess?“ und „Was können wir leisten?“ und diese mit unseren GenossInnen zu diskutieren, wussten wir sofort –aus dem Bauch heraus- was wir nicht wollen und was wir auf jeden Fall wollen und haben versucht, alles in einen Koffer zu quetschen. Was wir sonst so im politischen Alltag zum Thema Repression von uns geben, war ganz schnell vergessen und Priorität bekam immer mehr, auch durch Kooperation mit denen, die uns den ganzen Ärger einbrocken, unsere Arsch zu retten.

Ernsthaft auf die Waffe der Solidarität zu bauen, wurde umso schneller verworfen. Dass dabei nichts rumkommen kann, ist mit ein bisschen Distanz und genauerer Betrachtung fast schon logisch.


Und trotzdem sind wir leider nicht die einzigen, die zunächst einen solchen Weg beschritten haben. Und Schuld daran sind nicht vordergründig eine besonders repressive Szenestimmung, sondern eine mangelnde Fähigkeit, uns der politischen Diskussion zu stellen. Statt Parolen zu hinterfragen, werden sie übernommen und verkommen erst so zu Dogmen. Und wenn mensch dann wirklich in eine Situation kommt, an den eigenen Parolen gemessen zu werden, wird vor der Auseinandersetzung geflohen. Dabei wäre das schlimmstmögliche Szenario, wenn es nach einer gemeinsamen Auseinandersetzung tatsächlich zu unterschiedlichen Positionen bezüglich der Prozessführung kommen sollte, dass vielleicht einige GenossInnen nicht mehr an der Vorbereitung mitwirken. Und das ist bei politischer Arbeit keine Katastrophe, sondern das wohl natürlichste der Welt.


Denn erst dann, wenn wir Repression tatsächlich wieder versuchen kollektiv zu tragen, wird Solidarität zu einer Waffe, die viel motivierender und wirksamer ist, als das klammheimliche Mauscheln mit dem Staat im stillen Kämmerlein. Und darüber hinaus: Die von Repression direkt Betroffenen haben das Recht darauf, Solidarität zu erfahren genauso wie die GenossInnen das Recht haben, informiert zu werden und in der Verantwortung stehen, Solidarität zu leisten. Zumindest dann, wenn wir eine weitere Parole ernst nehmen: „Angeklagt sind wenige – gemeint sind wir alle!“.


Deshalb lautet unser Fazit aus unseren eigenen Fehlern: Lasst uns Repression kollektiv auffangen, lasst uns (auch richtige) Parolen nicht durch mangelnde Hinterfragung zu Dogmen werden lassen und scheuen wir uns nicht vor der Diskussion!


Denn Solidarität ist eine Waffe!


Antirepressionsgruppe 1. April, August 2007